„Das wäre eine Zwangsenteignung“

Veröffentlicht am 21.08.2012 in Bundespolitik

STREITGESPRÄCH (7): Reiche per Vermögensabgabe oder Zwangsanleihe zur Kasse bitten, um die Staatsfinanzen in Europa
zu sanieren – das schlägt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Die Nachwuchspolitiker David Schneider (Jusos) und Steffen Funck (Junge Union) haben wir gefragt, was sie davon halten. Gute Idee, sagt der eine. Unsinn, der andere.

Herr Schneider, Sie würden Reiche zur Kasse bitten – warum?
Schneider: Weil es ein Schritt in die richtige Richtung ist, sehr hohe Privatvermögen mit einer Sonderabgabe zu besteuern – öffentliche Haushalte könnten damit konsolidiert und Programme fürs Wachstum angeschoben werden.

Verprellt man damit nicht die Leistungsträger der Gesellschaft?
Schneider: Bei dem DIW-Vorschlag geht‘s um Freibeträge von 250.000 Euro pro Privatperson und von fünf Millionen Euro für betriebliches Vermögen. Es dreht sich also nur um die wohlhabendsten acht Prozent der Bevölkerung. Das ist vertretbar – gerade in Krisenzeiten.

Befürchten Sie nicht, dass die Betroffene ins Ausland flüchten?
Schneider: Bei einer einmaligen Abgabe ist die Gefahr geringer als bei einer Dauerbesteuerung. Und auch bei dieser zeigen sowohl historische Beispiele als auch andere marktorientierte Staaten, dass die Verdrängungseffekte gar nicht so groß sind, wie häufig propagiert.

Herr Funck, ist das ein willkommenes Sommerloch-Thema oder mehr?
Funck: Der Vorschlag ist auf jeden Fall nicht neu. Historisch gesehen gab es so was ja schon nach dem Ersten Weltkrieg, mit dem Ausgang, dass es eine Hyperinflation gab und das ganze System zusammengebrochen ist. Dann gab es nochmal einen Versuch in den 1980er Jahren, der vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde. Weil es eben gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, nur besonders Vermögende für eine solche Abgabe heranzuziehen.

Und Ihr Urteil zum DIW-Vorstoß?
Funck: Den einen Teil kann ich rational nicht verstehen, gegen den anderen wehre ich mich.

Das müssen Sie erklären.
Funck: Eine Zwangsanleihe für Vermögende würde eben nicht dazu führen, dass der Schuldenstand Deutschlands sinkt, sondern dazu, dass es neue Schuldner gibt. Aktuell leiht sich die Bundesrepublik an internationalen Anleihemärkten günstig Geld. Es gibt also keinen Mangel an verfügbarem Kapital. In dieser Situation die Bevölkerung zu schröpfen und ihr eine Zwangsanleihe aufzubürden, ist Unsinn. Das DIW kann mit seinem Vorschlag nur Länder mit anderen Voraussetzungen gemeint haben – wie Italien oder Griechenland.

Und warum sträuben Sie sich gegen eine Vermögensabgabe?
Funck: Weil das eine unnötige und vermutlich verfassungswidrige Zwangsenteignung wäre, denn es ist nun mal keine Steuer.

Der Liberale Rainer Brüderle spricht sogar von einem „Angriff auf das Eigentum der Menschen, der an Sozialismus“ grenze. Hat er recht?
Schneider: Natürlich nicht, dann wäre ja jede Form von Einmalbesteuerung Sozialismus. Und das DIW ist nun wenig verdächtig, sozialistische Vorschläge zu machen.

Hat denn Steffen Funck recht?
Schneider: In punkto Zwangsanleihe stimme ich ihm zu, für Deutschland ergibt das bei den aktuell sehr niedrigen Zinsen für flüssiges Kapital keinen Sinn. Eine Vermögensabgabe ist hingegen richtig. Wenn man sich die Verteilung in Deutschland anschaut, sieht man, dass der Löwenanteil des Privatvermögens in den Händen ganz weniger liegt. Und diese massive Ungleichverteilung nimmt zu. Unser Steuersystem verteilt zu wenig um und belastet Wohlhabende kaum. Der Spitzensteuersatz ist niedrig, die Erbschaftssteuer und der Besteuerungssatz auf Kapitalerträge sind gering. Da muss grundsätzlich umgesteuert werden, dann bräuchten wir auch keine Vermögensabgabe.

Funck: Es ist aber auch eine Tatsache, dass diese zehn oder 20 Prozent, die das Gros des Vermögens besitzen, den Staat bereits finanzieren. Sie tragen die mit Abstand höchste Steuerlast, viele sind unternehmerisch tätig und haben Arbeitsplätze geschaffen. Sie sorgen für Exportstärke und Wirtschaftskraft und haben ihre patriotische
Pflicht damit schon erfüllt.

Befeuert das DIW mit seinem Vorschlag also nur eine Neiddebatte?
Funck: Ganz genau. Das ist ein generelles deutsches Problem. In den USA gönnt man einem Unternehmer, der etwas riskiert hat, den Gewinn, den er ja mit Spenden an karitative Zwecke teilweise wieder zurückgibt. Hier kommt man jetzt mit einem in der Tat sehr sozialistisch anmutenden Instrument, nach dem Motto: Wir haben den
Karren in den Dreck gefahren, jetzt schröpfen wir mal die Reichen. Und nicht nur die. Denn die Bemessungsgrenzen für die Freibeträge sind zu niedrig. Hat man Wohneigentum in der Großstadt, ist man dabei. Selbst wenn es das Familienhaus ist, das seit Generationen vererbt wird. Doch damit ist man längst kein Reicher, sondern gehört zum originären Mittelstand, der ohnehin die Hauptlast schultert. So macht man Deutschland immer unattraktiver für Leute, die bereit sind, Leistung zu bringen. Schon heute wandern ja Akademiker ab.

Aber Sie flüchten nicht, oder?
Funck: (lacht) Nein. Dazu bin ich doch ein bisschen zu patriotisch.

Schneider: Wenn wir zum Beispiel eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen hätten, würden wir uns jetzt gar nicht über eine Vermögensabgabe unterhalten, weil die Staatsfinanzen – mit einer aktuellen Schuldenquote in Höhe von 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ganz anders aussehen würden. Das ist ein immenser Schuldenberg, der unsere Generation massiv betreffen wird. Die ungleiche Besteuerung von Lohn- und Kapitaleinkommen ist ein Problem.

Die Linke Sahra Wagenknecht fordert für den Abbau der Altschulden sogar europaweit eine einmalige Vermögensabgabe für Millionäre.
Funck: Ich sehe diese Notlage in Deutschland nicht, die diesen radikalen Schritt rechtfertigen würde. In Staaten, die mit dem Rücken zur Wand stehen, ist das etwas anderes.

Der Charme einer Zwangsanleihe liege darin, dass sie nur Leute betrifft, die es sich leisten können, sagt Schleswig-Holsteins SPD-Vorsitzender Ralf Stegner.
Funck: Ralf Stegner ist ja bekannt als Rumpelstilzchen, das gerne mit solchen Äußerungen Furore macht. Der DIW-Vorschlag trifft aber eben nicht nur die Allerreichsten.

Schneider: Wenn ich von einer vierköpfigen Familie ausgehe, habe ich einen Freibetrag von 700.000 Euro der unangetastet bleiben würde – zweimal 250.000 Euro für die Eltern, jeweils 100.000 Euro für die Kinder. Jemand, der in dieser Konstellation über ein Vermögen von
einer Million Euro verfügt, würde bei dem vom DIW vorgeschlagenen Steuersatz von zehn Prozent also eine Einmalabgabe von 30.000 Euro zahlen, weil dann nur die 300.000 Euro zu versteuern wären.

Funck: Und das sind 30.000 Euro zu viel. Dieses Geld ist diese Familie dem Staat nicht schuldig.

Bremens SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen gilt nicht als Rumpelstilzchen. Er sagt: Reiche tragen fast nirgendwo so wenig zum Staatshaushalt bei wie in Deutschland.
Funck: Das ist vielleicht in Bremen so, das gilt ja auch als das Griechenland Deutschlands. Gerade die Leute mit hohen Einkommen bringen täglich Leistung und ziehen auch finanziell den Karren. Und wenn die jedes Mal das Gefühl haben, wenn‘s irgendwem passt, werden sie zur Kasse gebeten, verlieren die irgendwann die Lust auf Deutschland.

Qujelle: Die Rheinpfalz, 19. Juli 2012
Interview: Steffen Gierescher

 

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